Leitsätze:
1.
Auch im selbständigen Beweisverfahren hat das Gericht ein eingeholtes schriftliches Gutachten von Amts wegen auf seine Vollständigkeit, Schlüssigkeit und Widerspruchsfreiheit hin zu überprüfen. Wird diese verneint, ist das Beweisverfahren auch ohne weiteren Antrag einer Partei durch Ladung des Sachverständigen zur Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens fortzusetzen.
2.
Einer Fortsetzung des Beweisverfahrens durch Ladung des Sachverständigen bedarf es auch, wenn eine der Parteien die Geeignetheit des vorliegenden schriftlichen Gutachtens zur Klärung der Beweisfragen für unzureichend hält. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Ladung des Sachverständigen oder lediglich die Eignung des schriftlichen Gutachtens durch Einwendungen hiergegen bestritten wird.
AGB - Vertragsstraferegelung
Leitsätze:
1. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen auch dann vor, wenn die Klauseln von einem Dritten für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert wurden, auch wenn die Vertragspartei, die die Klauseln stellt, sie nur in einem einzigen Vertrag verwenden will.
2. Enthält das Vertragsformular für die Vertragsstrafe wegen Überschreitung des Fertigstellungstermins eine eigenständige Regelung, die inhaltlich, optisch und sprachlich von der Vertragsstrafe für die Überschreitung von Zwischenterminen getrennt ist, kann sie einer gesonderten Inhaltskontrolle unterzogen werden.
3. Der Auftragnehmer verwirkt eine vereinbarte Vertragsstrafe nicht, wenn die Vertragsparteien vier Wochen vor dem vereinbarten Fertigstellungstermin eine den Hauptauftrag modifizierende Nachtragsvereinbarung über die Lieferung eines neuen Motors schließen und die Lieferzeit für den Motor zwölf Wochen beträgt.
4. Eine Vertragsklausel, wonach der Auftragnehmer den Gewährleistungseinbehalt nur durch eine Bürgschaft auf erstes Anfordern ablösen kann, hält einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nicht stand und ist unwirksam.
Abrechnung eines gekündigten Detail-Pauschalpreisvertrages
Leitsätze:
1.
Die Auftragnehmerin kann nach der Kündigung eines Werkvertrages Abschlagszahlungen nicht mehr verlangen, sondern muss - im Rahmen ihrer Darlegungs- und Beweislast - zur Ermittlung der vertragsbezogenen, anteiligen Vergütung die bis zur Kündigung erbrachten Werkleistungen im Einzelnen genau bezeichnen, von den kündigungsbedingt nicht (mehr) erbrachten Werkleistungen nachvollziehbar abgrenzen und sodann den Anteil der bis zur Kündigung erbrachten Werkleistungen in einem weiteren, eigenständigen Schritt auf der Grundlage der dem Werkvertrag zu Grunde liegenden Kalkulation bewerten*)
2.
Die Auftragnehmerin muss die bis zur Kündigung bereits erbrachten Einzelleistungen eines Detailpauschalpreisvertrags zum Zwecke der Abrechnung grundsätzlich in die damit - gemäß Leistungsbeschreibung - konkret verbundenen weiteren Einzelleistungen weiter zergliedern und diese jeweils mit - aus ihrer vorzutragenden bzw. vorzulegenden Vertragskalkulation abgeleiteten und für den Auftraggeber nachvollziehbar dargestellten bzw. errechneten - Einzelpreisen "bepreisen" bzw. bewerten; pauschale Bewertungen sind regelmäßig unzulässig.*)
3.
Insbesondere bei Bauträger- und ähnlichen Verträgen ist eine bereits im Vertrag von den Parteien (unabhängig von der insoweit grundsätzlich irrelevanten Aufteilung in Abschlagszahlungen in einem bloßen Zahlungsplan) verbindlich vorgenommene Aufteilung und Bewertung einzelner Teilleistungen auch bei der Abrechnung nach einer Kündigung des Vertrages regelmäßig zu berücksichtigen.*)
4.
Mangels Vorlage einer Schlussrechnung durch die Auftragnehmerin können die Auftraggeber unmittelbar aus der vertraglichen Abrede (nicht aus §§ 812 ff. BGB) auf Rückzahlung der Abschlagszahlungen klagen, sofern sich aus der von ihnen erstellten, ihrem möglichen Kenntnisstand entsprechenden Abrechnung ein Rückzahlungsanspruch (d. h. eine Überzahlung) ergibt.*)
5.
Der Wert der bis zur Kündigung erbrachten Leistungen kann im Einzelfall auch durch Abzug der Fertigstellungskosten vom vereinbarten Werklohn ermittelt werden. *)
6.
Der Unterschied zwischen einem Privatgutachten und einem gerichtlichen Gutachten in einem selbständigen Beweisverfahren ist nicht so erheblich, dass die Parteien eines Werkvertrages grundsätzlich verpflichtet sind, ein selbständiges Beweisverfahren anzustrengen.*)
7.
Eine Klausel in den AGB eines Werkvertrages, wonach sich die Ausführungsfrist bei Nichtbegleichung fälliger Abschlagszahlungen durch den Auftraggeber binnen einer näher bezeichneten Frist entsprechend verlängert, ist gemäß § 308 Nr. 1 BGB unwirksam.*)
Diebstahl: Auftragnehmer trägt bis zur Abnahme das Diebstahlrisiko!
Leitsatz des Verfassers:
Bis zur Abnahme der Werkleistung des Unternehmers, trägt dieser nicht nur das Risiko des zufälligen Untergangs der Werkleistung an sich, sondern auch das Diebstahlsrisiko der hierzu erforderlichen Baumaterialien auf der Baustelle.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Bauunternehmerin. Als solche wurde sie von den Beklagten mit der Errichtung eines Allkauf-Ausbauhauses beauftragt. Bzgl. des Innenausbaus wurden zudem zusätzlich zahlreiche Ausbauleistungen beauftragt. Im Zuge der Bauausführung, nach Fertigstellung des Hauses ohne Innenausbau und entsprechender Abnahme, hat die Klägerin Baumaterialien für die Herstellung des noch ausstehenden Innenausbaus mit Einverständnis der Beklagten in dem Haus gelagert. In das noch nicht bewohnte, von den Beklagten aber ordnungsgemäß verschlossene Objekt wurde sodann eingebrochen. Die von der Beklagten dort gelagerten Baumaterialien wurden hierbei entwendet. Um eine Verzögerung der Fertigstellung zu verhindern, haben die Beklagten sodann die entwendeten Materialien bei der Subunternehmerin der Klägerin zu den gleichen Konditionen bestellt und bezahlt. Die Klägerin hat diese Materialien verwendet und das Objekt fertig gestellt. Daraufhin hat sie den Beklagten eine Schlussrechnung über insgesamt 281.131,96 Euro erstellt. Die Beklagten zahlten hierauf einen Betrag in Höhe von 262.808,06 Euro.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Zahlung restlichen Werklohns in Höhe des Differenzbetrages von 18.323,90 Euro. Die Beklagten erklären die Aufrechnung mit einer Gegenforderung in dieser Höhe für die Bestellung und Bezahlung der entwendeten Baumaterialien.
Entscheidung:
Das Gericht hat die Klage der Klägerin mit der Begründung abgewiesen, dass der Anspruch auf Zahlung restlichen Werklohns durch die Aufrechnung der Beklagten mit der Gegenforderung für die Bestellung und Bezahlung der gestohlenen Baumaterialien erloschen sei.
Den Beklagten stehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Beschaffung der Baumaterialien unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag zu. Diese hätten mit der erneuten Bestellung der Baumaterialien bei der Subunternehmerin der Klägerin ein Geschäft geführt, welches eigentlich zu dem Pflichtenkreis der Klägerin gehöre. Denn diese trage nach dem gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages das Verlustrisiko bis zur Abnahme des Gesamtwerkes. Daher sei es hier unerheblich, dass bereits eine Abnahme des Hauses ohne den Innenausbau stattgefunden habe. Die Einlagerung der Baumaterialien in dem nicht bewohnten Haus beruhte im Übrigen allein auf der Entscheidung der Klägerin, so dass hierdurch keine Verlagerung des Verlustrisikos auf die Beklagten erfolgt sei. Für die Annahme eines konkludent geschlossenen Verwahrungsvertrages zwischen den Parteien bestünden jedenfalls keine Anhaltspunkte. Nur weil die Beklagten ihre Zustimmung zu der Lagerung der Baumaterialien in dem Objekt erteilt hätten, hätten sie erkennbar noch keinerlei Verpflichtungen bzgl. der Baumaterialien übernehmen wollen. Die Beklagten treffe zudem kein Verschulden an dem Diebstahl, da sie das leerstehende Haus ordnungsgemäß verschlossen hätten. Ferner lag die erneute Beschaffung der Baumaterialien im Interesse der Klägerin, weil diese ohnehin gegenüber den Beklagten dazu verpflichtet gewesen wäre, Ersatzmaterialien zur fachgerechten Herstellung des Gesamtwerks zu beschaffen. Dies gilt umso mehr, als der der Klägerin auch keine Nachteile durch die Bestellung der Beklagten entstanden seien, weil die Materialien von der Subunternehmerin der Klägerin zu denselben Konditionen bezogen wurden.
Aber selbst wenn die Bestellung nicht im Interesse der Klägerin gewesen wäre oder entgegen ihrem Willen erfolgt wäre, stünde den Beklagten ein solcher Ersatzanspruch zu. Denn die Klägerin habe durch die Bestellung und Bezahlung der Baumaterialien seitens der Beklagten diejenigen Materialien erhalten, die sie zur Erfüllung ihrer vertraglichen Verpflichtung zur vertragsgemäßen und fachgerechten Herstellung des Gesamtwerkes gegenüber den Beklagten benötigt habe. Hierdurch habe sie eigene Aufwendungen erspart, weil sie selbst zur Ersatzbeschaffung dieser Baumaterialien gegenüber den Beklagten verpflichtet gewesen sei.
Fazit:
Aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Gefahrtragung des Bauunternehmers bis zur Abnahme des Gesamtwerks, trägt dieser das Risiko des Diebstahls von Baumaterialien, die auf der Baustelle gelagert bzw. belassen werden. Der Unternehmer sollte deshalb eine bewusste Entscheidung darüber treffen, ob er Baumaterialien auf der Baustelle belässt oder veranlasst, dass nicht verbaute Materialien von den Mitarbeitern allabendlich wieder mitgenommen werden. Ein solches Vorgehen ist zwar mit einem erhöhten Aufwand verbunden, je nach dem Wert der Baumaterialien kann sich diese Mühe jedoch lohnen. Der Unternehmer sollte sich deshalb sorgfältig überlegen und kalkulieren, ob er das Risiko eines Diebstahls der Baumaterialien auf der Baustelle eingehen möchte oder nicht.
Leitsätze
1.
Die Verpflichtung zur "schlüsselfertigen" oder "bezugsfertigen" Herstellung umfasst alle Kosten der Bauausführung, auch die mit der Errichtung des Gebäudes anstehenden Nebenkosten. Dazu gehört regelmäßig auch der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung.
2.
Kann der Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung aufgrund einer kommunalen Kanalanschlussatzung außerhalb der Grundstücksgrenze nur von der Stadt selbst oder durch ein von ihr beauftragtes Unternehmen durchgeführt werden, scheidet eine Herstellungspflicht insoweit aus.
3.
Der öffentliche Auftraggeber muss bei der Ausschreibung alle ihm bekannten relevanten Erkenntnisse in die Vergabeunterlagen aufnehmen. Verschweigt er solche Erkenntnisse, verhält er sich vergabewidrig. Das ist bereits bei der Auslegung der Leistungsbeschreibung zu berücksichtigen.
Ohne nachvollziehbare Urkalkulation - keine Nachtragsvergütung!
Leitsätze:
1.
Für die "Forderung bzw. das Verlangen des Auftraggebers" nach Ausführung einer bisher im Bauvertrag nicht vorgesehenen Leistung i.S.v. § 2 Nr. 6 VOB/B gelten die von der Rechtsprechung des BGH entwickelten Grundsätze zur "Anordnung des Auftraggebers", welche die Grundlagen des Preises für eine im Vertrag vorgesehene Leistung i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B ändert, entsprechend.*)
2.
§ 2 Nr. 6 Abs. 1 Satz 2 VOB/B ist - für den Fall, dass die VOB/B nicht als Ganzes vereinbart ist - nicht wegen eines Verstoßes gegen §§ 305 ff. BGB unwirksam, denn die Versäumung der Ankündigung hat nur dann einen Anspruchsverlust des Auftragnehmers zur Folge, wenn und soweit die Ankündigung berechtigten Schutzinteressen des Auftraggebers dient und ihre Versäumung unentschuldigt ist.*)
3.
Ohne eine nachvollziehbare Darlegung der Preisgrundlagen aufgrund der vorzulegenden Auftrags-/Urkalkulation bzw. einer plausiblen (Nach-)Kalkulation - ist ein geltend gemachter Mehrvergütungsanspruch bei Nachträgen i.S.v. § 2 Nr. 5 VOB/B bzw. § 2 Nr. 6 VOB/B unschlüssig und die Klage als endgültig unbegründet (und nicht wie bei nur fehlender Prüfbarkeit als nicht fällig bzw. derzeit unbegründet) abzuweisen. Für einen Rückgriff auf den ortsüblichen Preis in Anlehnung an § 632 Abs. 2 BGB ist im Rahmen von § 2 Nr. 5 bzw. Nr. 6 VOB/B kein Raum.*)
4.
Die Auftragnehmerin ist im Rahmen von § 2 Nr. 8 VOB/B dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass die Ausführung der zusätzlichen Werkleistungen durch sie dem mutmaßlichen Willen der Auftraggeberin entspricht. Sie muss den Willen vor Beginn der Ausführung mit zumutbarem Aufwand erforschen und selbst dann beachten, wenn das ihr erkennbare Verhalten der Auftraggeberin ihr unvernünftig bzw. interessenwidrig erscheint, es sei denn § 679 BGB (öffentliches Interesse, z.B. Bauordnungsrecht, Gefahrenabwehr etc.) steht dem entgegen.*)
5.
Für die Abgrenzung, welche Arbeiten von der vertraglich vereinbarten Leistung erfasst sind bzw. ggf. zusätzlich zu vergüten sind, kommt es auf den durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB) zu ermittelnden Inhalt der Leistungsbeschreibung an. Dabei sind das gesamte Vertragswerk und dessen Begleitumstände zu Grunde zu legen, d.h. Baubeschreibung, Leistungsverzeichnis einschließlich abstrakter Vorbemerkungen, Probestücken, Bauzeichnungen, Detailplanungen und auch sämtliche sonstigen Vertragsunterlagen. Eine Zeichnung besitzt dabei vertraglich grundsätzlich die gleiche Bedeutung wie das geschriebene Wort oder die geschriebene Zahl in der Leistungsbeschreibung, zumal eine Zeichnung weit eher geeignet ist, Art und Umfang der gewollten Leistung zu bestimmen.*)
6. Es ist im Zivilprozess nicht Aufgabe des Gerichts, sich aus schriftsätzlich nicht hinreichend erläuterten Anlagen (Aufstellungen) etwaig im Rahmen von § 2 VOB/B erhebliche Positionen selbst im Wege einer unzulässigen Amtsaufklärung erst noch zu beschaffen bzw. zu ermitteln.*)
Leitsätze
1. Der Umfang der Ausgleichspflicht (Quotierung) im Innenverhältnis zwischen dem Werkunternehmer und dem planenden bzw. bauüberwachenden Architekten als Gesamtschuldnern im Rahmen von § 426 BGB hängt von den jeweiligen Umständen ab; dabei trifft den Gesamtschuldner, der eine von der Verteilung nach Köpfen (d.h. hier jeweils 50 %) abweichende Quote geltend macht, die Darlegungs- und Beweislast.*)
2. Bei der Abgrenzung, wer der eigentliche Schadensverursacher ist, ist als Orientierungshilfe zu berücksichtigten, dass Planungsfehler grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Architekten bzw. Sonderfachmanns, Ausführungsfehler hingegen in den Verantwortungsbereich des Unternehmers fallen. Ist der Baumangel auf einen Ausführungsfehler des Unternehmers zurückzuführen, den der Architekt im Rahmen seiner Bauüberwachung (lediglich) nicht erkannt hat, so trifft den Unternehmer regelmäßig die zumindest überwiegende, wenn nicht im Einzelfall sogar die alleinige Haftung, denn der Unternehmer kann weder dem Bauherrn noch dem Architekten gegenüber einwenden, er sei bei seinen Arbeiten nicht ausreichend überwacht worden.*)
3. Die Verursachungsbeiträge eines Bauleiters, der die fehlerhafte Ausführung seitens des Werkunternehmers pflichtwidrig nicht bemerkt hat (bzw. hier: bemerkt hat, aber darauf nicht pflichtgemäß reagiert hat), dürfen nicht bagatellisiert werden.*)
4. Eine überwiegende (oder gar alleinige) Haftung des Werkunternehmers im Innenverhältnis mit einem bauaufsichtsführenden Architekten kann nicht allein damit begründet werden, dass der Bauherr dem Unternehmer keine Aufsicht schulde.*)
5. Der unmittelbar vertragswidrig handelnde Gesamtschuldner kann sich nicht mit Erfolg darauf stützen kann, dem ihn lediglich beaufsichtigenden (i.S.v. kontrollierenden) anderen Gesamtschuldner (insbesondere Architekten) seien gleich hohe, hälftige Verursachungsanteile anzulasten. Insoweit gelten keine anderen Grundsätze als bei der Abwägung zwischen der Verletzung von primären bzw. unmittelbaren Verhaltenspflichten des einen Gesamtschuldners (insbesondere zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks) und sekundären bzw. mittelbaren Prüfungs- bzw. Bedenkenhinweis bzw. Aufsichtspflichten des anderen Gesamtschuldners.*)
6. Eine im Rahmen der Abwägung gemäß §§ 426, 254 BGB die Haftungsquote des Architekten erhöhende Verletzung einer Koordinierungspflicht liegt erst dann vor, wenn diese Pflichtverletzung faktisch einem Planungsfehler nahe kommt.*)
Leitsätze:
1.
Die Kosten der notwendigen Hinzuziehung eines Sachverständigen zur Ermittlung von Mangel und Mangelbeseitigungsmaßnahme sind ersatzfähiger Mangelfolgeschaden des Bestellers.*)
2.
Die Tätigkeit des Architekten im Zusammenhang mit der Ersatzvornahme des Bestellers gehört zu den Grundleistungen der Leistungsphase 8 gemäß § 15Abs. 2 HOAI (a.F.). Es handelt sich in der Regel nicht um eine besondere und deshalb gesondert zu vergütende Leistung des Architekten.*)
Leitsätze:
1.
Dienen die im Leistungsverzeichnis angegebenen ca.-Maße ausschließlich zur Angebotserstellung und beinhalten sie keine steintechnischen Angaben für die Ausführung der Innenfensterbänke, ist der Auftragnehmer nicht dazu verpflichtet, die Fensterbänke in den ausgeschriebenen Maßen zu bestellen und vor Ort individuell anzupassen.
2.
Gibt der im Auftrag des Auftraggebers planende Architekt nach einer Baubesprechung die (nunmehr) maßgebliche Breite der Fensterbänke an, sind die zuvor vereinbarten und gesetzten Fristen für den Beginn und die Vollendung dieser Arbeiten überholt und als Grundlage für eine Kündigung wegen verspäteten Arbeitsbeginns bzw. verzögerter Fertigstellung nicht mehr maßgeblich.
Leitsätze:
1.
Durch die vom Auftraggeber in einem VOB-Einheitspreisvertrag gestellte Klausel "Massenänderungen - auch über 10 % - sind vorbehalten und berechtigen nicht zur Preiskorrektur" wird ein Anspruch auf Preisanpassung bei Über- oder Unterschreitung des Mengenansatzes aus § 2 Abs. 3 VOB/B ausgeschlossen.
2.
Eine solche Regelung begegnet keinen AGB-rechtlichen Bedenken und ist auch als Formularklausel wirksam.
3.
Wird eine Anpassung der Einheitspreise bei Mengenabweichungen vertraglich wirksam abbedungen, finden die Grundsätze über die Störung der Geschäftsgrundlage (BGB § 313) auch im Fall erheblicher Mengenüber- oder -unterschreitungen keine Anwendung.
Leitsätze:
1.
Bei Mängeln, die das äußere Erscheinungsbild des gelieferten Werkes betreffen (optische Mängel) und mit denen keine Funktionsbeeinträchtigung einhergeht, ist im Rahmen der für den Unverhältnismäßigkeitseinwand nach § 635 Abs. 3 BGB erforderlichen Gesamtabwägung darauf abzustellen, ob der Auftraggeber ein nachvollziehbares (nicht nur unbedeutendes) Interesse an der (auch) optisch einwandfreien Herstellung des Werkes hat. Je höher dieses Leistungsinteresse des Bestellers an einem auch optisch makellosen Erscheinungsbild des bestellten Werkes ist, umso weniger kann der Werkunternehmer mit seinem Einwand aus § 635 Abs. 3 BGB gehört werden. Berührt der nur geringfügige Schönheitsfehler nur leicht das ästhetische Empfinden des Bestellers, ohne dass in objektivierbarer Form die "Wertschätzung" gegenüber dem Werk beeinträchtigt wird, kann bei erheblichen Mängelbeseitigungsaufwendungen von Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden.
2.
Die Kriterien, unter denen der Auftragnehmer das Nacherfüllungsbegehren des Auftraggebers unter Berufung auf den Unverhältnismäßigkeitseinwand gemäß § 635 Abs. 3 BGB ablehnen kann, finden auf einen mangelbedingten Schadensersatzanspruch nach §§ 634 Nr. 4, 636 BGB, der auf Erstattung der Beseitigungskosten gerichtet ist, Anwendung, sowie dann, wenn bei der Bemessung eines mangelbedingten Minderungsbetrages (§§ 634 Nr. 3, 638 BGB) auf die Kosten zur Mängelbeseitigung zurückgegriffen wird.
3.
Zur Bedeutung des Verschuldens bei der Gesamtabwägung im Rahmen der Prüfung des Unverhältnismäßigkeitseinwandes; Vorsatz des Werkunternehmers schließt den Unverhältnismäßigkeitseinwand nicht generell aus.
Leitsatz:
Der Werklohnanspruch des Unternehmers kann im Fall eines vom Besteller teilweise gekündigten Pauschalpreisvertrags, sofern lediglich ganz geringfügige Leistungen ausstehen und keine kalkulatorischen Verschiebungen zu Lasten des Bestellers verdeckt werden können, auch auf die Weise berechnet werden, dass die nicht erbrachte Leistung bewertet und von der Gesamtvergütung abgezogen wird.
Sachverhalt:
Die Beklagten beauftragten die Klägerin im Jahr 2008 mit der Anlegung eines japanischen Gartens auf der Dachterrasse ihrer Wohnung zu einem Pauschalpreis in Höhe von 110.000,00 Euro. Bezüglich des Leistungsumfangs vereinbarten die Parteien zunächst unter anderem, dass ein Wasserfall hergestellt werden soll. Weil bei der Herstellung des Wasserfalls Feuchtigkeitsprobleme auftraten, kamen die Parteien dahingehend überein, dass der Wasserfall doch nicht ausgeführt werden solle. Stattdessen einigten sie sich dann auf die Herstellung eines „Tsukubai“, eines rituellen japanischen Waschplatzes nebst eines „Tan“, eines Meditationspodests, als Kompensationsleistung. Der Waschplatz wurde von der Klägerin schließlich ausgeführt, das Meditationspodest jedoch aufgrund des nachträglich geäußerten Wunschs der Beklagten nicht.
Die Klägerin fordert die Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 38.920,00 Euro für die Anlegung des japanischen Gartens.
Entscheidung:
Das Gericht hat entschieden, dass es sich, wenn der Besteller die Erbringung einzelner Leistungen aus einem ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang nicht mehr wünsche, um eine teilweise Kündigung des Vertrages handelt. Wenn es sich bei diesem Vertrag um einen Pauschalpreisvertrag handeln würde, müsse die Darlegung des Werklohnanspruchs des Unternehmers deshalb grundsätzlich den Anforderungen, die für die Abrechnung teilgekündigter Pauschalpreisverträge entwickelt wurden, genügen. Der Unternehmer müsse demnach zunächst darlegen, welche Leistungen er bereits erbracht hat und diese von den nicht ausgeführten Leistungen abgrenzen. Ferner sei die Höhe der Vergütung für die erbrachten Leistungen dann dadurch zu ermitteln, dass ihr Wert ins Verhältnis zum Wert der geschuldeten Gesamtleistungen gesetzt wird. Dies erfordere wiederum die Darlegung des Preisansatzes für sämtliche Teilleistungen.
Allerdings hat das Gericht entschieden, dass der Anspruch der Klägerin auf Zahlung restlichen Werklohns hier nicht deshalb abgewiesen werden dürfe, weil die Darlegung nicht diesen Anforderungen genüge. Denn vorliegend sei es ausreichend gewesen, den Wert der nicht erbrachten Leistung, also des Meditationspodests, darzulegen. Denn wenn lediglich noch ganz geringfügige Leistungen ausstünden und keine kalkulatorische Verschiebung zu Lasten des Bestellers verdeckt werden könne, könne eine Berechnung des Werklohnanspruchs des Unternehmers auch dergestalt erfolgen, dass die gekündigte bzw. nicht ausgeführte Teilleistung für sich genommen bewertet und von dem vereinbarten Pauschalpreis abgezogen würde.
Fazit:
Die Darlegung eines Werklohnanspruchs bereitet im Fall der teilweisen Kündigung eines Pauschalpreisvertrages bisweilen Schwierigkeiten. Die in dieser Entscheidung dargestellte Möglichkeit der Abrechnung, erleichtert die schlüssige Darlegung des Werklohanspruchs daher ungemein. Denn die isolierte Bewertung der nicht erbrachten Leistungen wird dem Unternehmer ohne weiteres möglich sein.
Allerdings hat das Gericht deutlich gemacht, dass eine solch vereinfachte Abrechnung nur in Ausnahmefällen möglich ist. Es müssen kumulativ zwei Voraussetzungen erfüllt sein. Zum einen darf es sich bei den nicht ausgeführten Leistungen nur um ganz geringfügige Leistungen handeln und zum anderen muss eine Benachteiligung des Bestellers durch eine kalkulatorische Verschiebung zu seinen Lasten ausgeschlossen sein.
Leitsatz:
Der Besteller muss sich ein schuldhaftes Verhalten des mit der Planung beauftragten Architekten gemäß § 254 Abs. 2 Satz 2, § 278 Abs. 1 BGB zurechnen lassen, wenn der Architekt zwar nicht einseitig eine Planungsänderung vorgibt, eine solche jedoch auf sein Betreiben hin einvernehmlich zwischen Besteller und Unternehmer vereinbart wird und der Architekt hinsichtlich dieser Änderung die Planungsverantwortung übernimmt. In einem solchen Fall kommt es nicht darauf an, ob der Unternehmer einen Änderungsvorschlag unterbreitet hat.
Leitsatz:
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers eines Bauvertrags enthaltene Vertragsklauseln, wonach Gewährleistungsansprüche bis zur vorbehaltlosen Annahme der Schlusszahlung des Auftraggebers in Höhe von 7 % der Auftrags- bzw. Abrechnungssumme durch Bürgschaften gesichert sind, benachteiligen den Auftragnehmer unangemessen und sind daher unwirksam (im Anschluss an BGH, Urteil vom 5. Mai 2011 - VII ZR 179/10, BauR 2011, 1324 = NZBau 2011, 410).
Leitsätze:
1.
Ein mit "Vorplanungen zur Lösung der Aufgabenstellung wie Recherche zum Materialeinsatz und Untersuchung unterschiedlicher Varianten zur Zielvorstellung" beauftragter Ingenieur hat die
Brauchbarkeit des in seine Planung einbezogenen Baumaterials zu überprüfen und den Auftraggeber hierüber aufzuklären bzw. zu beraten.
2.
Ein Ingenieur kann von seiner Hinweispflicht entbunden sein kann, wenn der Auftraggeber Sonderfachleute eingeschaltet hat und der Ingenieur davon ausgehen darf, dass der Fachmann den Auftraggeber über sämtliche Gesichtspunkte aufgeklärt hat. Das gilt insbesondere dann, wenn zwischen dem Auftraggeber und dem Spezialunternehmen für die Lösung einer bestimmten Sonderaufgabe ein selbstständiger Beratungsvertrag geschlossen wurde.
Leitsatz:
Eine endgültige Erfüllungsverweigerung liegt vor, wenn der Unternehmer während der vorprozessualen umfassenden Auseinandersetzung nachhaltig und beharrlich das Vorliegen von Mängeln verneint und eine Pflicht zur Gewährleistung schlechthin bestreitet (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. November 2001 - VII ZR 373/99, BauR 2002, 310 = NZBau 2002, 89).
Leitsätze:
1.
Der Besteller darf einen Mangel grundsätzlich erst dann selbst beseitigen und Ersatz der dafür erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn er dem Unternehmer erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat.
2.
Eine Fristsetzung ist ausnahmsweise entbehrlich, wenn der Unternehmer die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert. Hierzu genügt es, wenn er seine Pflicht zur Gewährleistung schlechthin bestreitet oder wenn er die Beseitigung des Mangels in anderer Weise abschließend ablehnt.
Leitsatz:
Übersteigt die vom Sachverständigen geltend gemachte Vergütung den von den Parteien angeforderten Kostenvorschuss erheblich, d.h. um mehr als 20% (hier: 2.000,- EUR Vorschuss, später
knapp 9.000,- EUR geltend gemacht), und weist der Sachverständige darauf unter Verstoß gegen § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO nicht rechtzeitig hin, ist seine Vergütung nach dem eindeutigen Wortlaut von
§ 8a Abs. 4 JVEG und der eindeutigen Gesetzesbegründung (vgl. BT-Drucks. 17/11471 (neu), S. 260 linke Spalte) auf den Betrag des Vorschusses zu kappen. Angesichts dieser neuen gesetzlichen
Regelung besteht keinen Anlass dazu, den Vorschussbetrag - was nach altem Recht teilweise gemacht wurde (vgl. KG, 04.05.2011 - 22 U 59/09, IBRRS 2011, 4186; LG Osnabrück, 13.02.2013 - 3 OH 72/11,
IBRRS 2013, 5365, [Erhöhung um 20-25%]) - zu erhöhen.
Leitsatz:
Trifft ein zahlungsunfähiger Schuldner mit seinem Auftraggeber (Bauherrn) und seinem Lieferanten vor der Fälligkeit der nächsten Werklohnrate die Vereinbarung, dass der Kaufpreis für die von dem Lieferanten zu liefernden Bauteile von dem Auftraggeber vor der Lieferung direkt gezahlt werde, kann in der vom Schuldner veranlassten Direktzahlung eine kongruente Deckung liegen und der Schuldner trotz erkannter Zahlungsunfähigkeit ohne Benachteiligungsvorsatz handeln.
Leitsätze:
1.
Der wesentliche Mangel hat zwei Merkmale, ein objektives und ein subjektives. Das objektive Merkmal ist die allgemeine Verkehrsauffassung darüber, ob der vorliegende Mangel unter Zugrundelegung des Vertragszwecks als empfindlich und deswegen als beachtlich anzusehen ist. Bei dem subjektiven Merkmal ist das spezielle Interesse des Auftraggebers einer vertragsgerechten Leistung in Betracht zu ziehen.
2.
Ein Abzug "Neu für Alt" wegen der verlängerten Lebensdauer ist nicht vorzunehmen, wenn diese auf einer verspäteten Mängelbeseitigung beruht, da sich der Auftraggeber während des Ausbleibens der Nacherfüllung mit einem mangelhaften Werk begnügen musste.
Leitsätze
1.
Der mit der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1) beauftragte Architekt hat den Besteller hinsichtlich der Genehmigungsfähigkeit des Bauvorhabens vollständig und richtig zu beraten. Verletzt der Architekt diese Pflicht und erklärt sich der Besteller aus diesem Grund damit einverstanden, dass der Architekt ein anderes Gebäude als das ursprünglich gewollte plant, ist der Architekt dem Besteller zum Schadensersatz gemäß § 634 Nr. 4, §§ 636, 280, 281 BGB verpflichtet. Der Schaden besteht in diesem Fall darin, dass der Besteller Aufwendungen für ein Gebäude tätigt, das er ohne die mangelhafte Planungsleistung des Architekten nicht hätte errichten lassen.
2.
Ein Mangel der Werkleistung liegt vor, wenn sie nicht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Dabei ist die Beachtung der allgemein anerkannten Re-geln der Technik, sofern
nicht ein anderer Standard vereinbart worden ist, als Mindeststandard geschuldet (Bestätigung von BGH, Urteil vom 7.März2013 - VII ZR 134/12, BauR 2013, 952).
3.
Die Kausalität zwischen einem Überwachungsfehler des Architekten, der zu einem Mangel des Bauwerks geführt hat, und dem Schaden, der dem Besteller in Gestalt der zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen entsteht, ist nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Sind die vom Besteller ergriffenen Maßnahmen zur Beseitigung des Mangels objektiv erforderlich, kommt es nicht darauf an, ob der Besteller den Mangel vor Ausführung der Mängelbeseitigung erkannt hat.
Leitsätze:
1.
Auch nach der Kündigung eines Bauvertrags wird die Vergütung für die bis zur Kündigung erbrachte Leistung grundsätzlich nur nach der Abnahme dieser Leistung fällig.
2.
Beim gekündigten VOB-Vertrag kommt eine fiktive Abnahme nach § 12 Abs. 5 VOB/B nicht in Betracht.
3.
Im Rahmen einer sog. Leistungskette führen Handlungen des Auftraggebers (hier: der Bezug des Bauwerks) nur in Ausnahmefällen zugleich zu einer Abnahmewirkung im Verhältnis zwischen dem Hauptunternehmer bzw. Bauträger und einem Nachunternehmer.
4. Die Vergütung des Nachunternehmers für ein Werk, dessen Herstellung der Hauptauftragnehmer einem Dritten (Auftraggeber) versprochen hat, wird spätestens fällig, soweit das Werk des Hauptauftragnehmers abgenommen worden ist. Das gilt auch im VOB-Vertrag und zwar unabhängig davon, ob der Nachunternehmer seine Leistung abnahmereif erbracht hat ist oder nicht.
Leitsätze:
1.
Die Nichtbeachtung von Vorschriften über die Aufstellung des Haushaltsplans hat nicht zur Folge, dass eine von einem öffentlichen Auftraggeber in einem Vertrag über Planungs- und Ingenieurleistungen getroffene Honorarvereinbarung wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB nichtig ist.
2.
§ 6 Abs. 2 HOAI ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage in Art. 10 §§ 1 und 2 MRVG nicht gedeckt und damit unwirksam.
3.
Zum Grund des Anspruchs kann auch eine vertragliche Preisabrede gehören, wenn diese für die Art der Berechnung der vereinbarten Vergütung maßgeblich ist und der Kläger geltend macht, ihm stehe im Falle ihrer Unwirksamkeit ein über das vereinbarte Honorar hinausgehender Honoraranspruch zu.
Leitsätze:
1.
Durch den Werkvertrag wird der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet. Fehlt es an einer Vergütungsvereinbarung, gilt die übliche Vergütung als vereinbart, wenn die Herstellung des Werks den Umständen nach nur gegen Bezahlung zu erwarten ist.
2.
Will der Unternehmer die übliche Vergütung berechnen, muss er beweisen, dass eine vom Besteller behauptete Pauschalpreisabrede nicht getroffen wurde.
Leitsätze:
1.Eine die Klage auf Vergütung der erbrachten Leistungen nach einer Kündigung des Bauvertrages kann, wenn der Auftraggeber dem nicht widerspricht, auf eine Abrechnung gestützt werden, wonach vom vereinbarten Werklohn die unstreitigen Drittunternehmerkosten für die Fertigstellung des Bauwerkes abgezogen werden.
2. Ein Widerspruch gegen diese Abrechnung ist unbeachtlich, wenn der Auftraggeber nicht geltend macht, dadurch benachteiligt zu sein.
Sachverhalt:
Die Klägerin ist Unternehmerin und verpflichtete sich gegenüber den Beklagten zur Errichtung eines Einfamilienhauses zu einem Pauschalpreis. Dieser Werkvertrag wurde im Laufe der Ausführung des Bauvorhabens jedoch gekündigt und die Beklagten haben ein Drittunternehmen mit der Fertigstellung des Einfamilienhauses beauftragt. Nunmehr verlangt die Klägerin von den Beklagten die Zahlung restlichen Werklohns aus diesem gekündigten Pauschalpreisvertrag für die von ihr erbrachten Leistungen.
Entscheidung:
Das Gericht hat zunächst ausdrücklich klargestellt, dass ein Auftragnehmer grundsätzlich eine prüfbare Schlussrechnung unter Darlegung der Grundlage der Bewertung der von ihm erbrachten Leistungen in Bezug auf den vereinbarten Pauschalpreis zu erstellen habe, um eine ungerechtfertigte Vorteilnahme des Auftragnehmers zu verhindern.
Allerdings könne der Auftraggeber auf einen solchen Schutz verzichten. Ein solcher Verzicht könne dabei angenommen werden, wenn der Auftraggeber einer Abrechnung des Auftragnehmers, welche die Kosten für die Fertigstellung des Werks durch einen Drittunternehmer von der vertraglich vereinbarten Werklohnforderung in Abzug bringt, nicht widerspreche. Aber selbst wenn der Auftraggeber einer solchen Abrechnung widerspreche, könne ein solcher Widerspruch unbeachtlich sein. Dies sei anzunehmen, wenn es sich lediglich um einen rein formalen Widerspruch handele, in dem der Auftraggeber nicht geltend mache und darlege, durch die gewählte Abrechnung auch benachteiligt zu sein. Denn die Fertigstellungskosten durch die Beauftragung eines Drittunternehmers seinen regelmäßig höher als der Teil der vertraglich vereinbarten Vergütung für die nicht erbrachten Leistungen des Auftragnehmers.
Nach diesen Grundsätzen hat das Gericht -obwohl es die Schlussrechnung der Klägerin vorliegend für nicht prüffähig erachtet hat- der Klägerin dennoch eine restliche Werklohnforderung für schlüssig dargelegt erachtet. Das Gericht hat letztlich eine Schätzung der Höhe dieser Forderung nach § 287 ZPO vorgenommen, indem es die ursprüngliche, unstreitig vertraglich vereinbarte Werklohnforderung als Bemessungsgrundlage herangezogen und hiervon die den Beklagten entstandenen Kosten für die Fertigstellung des Bauvorhabens durch den Drittunternehmer in Abzug gebracht hat. Dass Gericht ist nämlich davon ausgegangen, dass die Klägerin sich den Vortrag der Beklagten zu den Drittunternehmerkosten zu Eigen gemacht und die Klageforderung -zumindest konkludent- hilfsweise auf eine solche Abrechnung gestützt habe.
Fazit:
Die Erstellung einer prüffähigen Schlussrechnung nach der Kündigung eines Pauschalpreisvertrages erfordert grundsätzlich eine detaillierte Darlegung der ursprünglichen Kalkulation für die im Einzelnen zu erbringenden Leistungen, um den Werklohn für die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen beziffern zu können. Die Erstellung einer derartigen Darstellung ist bisweilen sehr zeitaufwändig und umfangreich. Je nach vorhandener Unterlagen über die Grundlagen des ursprünglich vereinbarten Pauschalpreises kann der erforderliche Vortrag sogar unmöglich sein. Daher kann es sich für den Fall, dass der Besteller des Bauvorhabens bereits durch einen Drittunternehmer hat fertig stellen lassen, anbieten, diese Kosten von der vertraglich vereinbarten Werklohnforderung in Abzug zu bringen und so die Werklohnforderung schlüssig zu begründen.
Für ein Klageverfahren erscheint es bei Zweifeln über die Schlüssigkeit der Schlussrechnung in jeden Fall ratsam, zumindest hilfsweise die Werklohnforderung auf die dargestellte Abrechnungsmöglichkeit zu stützen.
Leitsätze:
1.
Ausblühungen und Verfärbungen der Stufen einer Außentreppe können unter Umständen nicht als Mangel gewertet werden, wenn sie sich bei der Verwendung des vertraglich vereinbarten Natursteins nicht verhindern lassen.*)
2.
Wird - aus welchem Grund auch immer - eine einfachere oder preisgünstigere Bauweise vereinbart, die gewisse nicht vermeidbare Risiken in sich birgt, kann sich daraus auch unter dem Gesichtspunkten der eingesparten Kosten beim Werklohn kein Minderungsanspruch ergeben.
Leitsätze:
1.
Die in einem Generalunternehmervertrag enthaltene Klausel des Auftraggebers "Innerhalb von 14 Tagen nach Abruf der einzelnen Teilbauabschnitte hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Sicherung sämtlicher Ansprüche aus diesem Vertrag bauabschnitts-weise Vertragserfüllungsbürgschaften über 10 v.H. der unter § 6 vereinbarten Pauschalauftragssumme Zug um Zug gegen Stellung einer Zahlungsbürgschaft durch den Auftraggeber in gleicher Höhe auszuhändigen." ist unwirksam, wenn auch Mängelansprüche gesichert werden.
2.
Der Verwender vorformulierter Klauseln kann sich zur Darlegung eines Aushandelns nach § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht ausschließlich auf eine individualrechtliche Vereinbarung berufen, nach der über die Klauseln "ernsthaft und ausgiebig verhandelt wurde"
3.
Mit dem Schutzzweck der §§ 305 ff. BGB ist nicht zu vereinbaren, wenn Vertragsparteien unabhängig von den Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB die Geltung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen individualrechtlich ausschließen.
Leitsätze:
1.
Werden die DIN-Normen (bzw. die sonstigen allgemein anerkannten Regeln der Technik) bei einer Werkleistung nicht eingehalten, so spricht wegen der damit verbundenen Gefahrerhöhung eine tatsächliche Vermutung (im Sinne der Grundsätze des Anscheinsbeweises) dafür, dass im örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Werkleistung entstandene Schäden bei Beachtung der DIN-Normen vermieden worden wären und auf die Verletzung der DIN-Normen zurückzuführen sind.*)
2.
Die Verletzung von DIN-Normen bzw. von allgemein anerkannten Regeln der Technik erlaubt insoweit als Erfahrungssatz den Schluss, dass das Schadensrisiko demjenigen zuzuweisen ist, der es durch die Wahrung dieser Regeln gerade abwenden sollte.*)
3.
Im privaten Baurecht obliegt dem Werkunternehmer die Darlegung und die Erschütterung des Anscheins, dass eingetretene Schäden nicht auf der Nichteinhaltung der technischen Vorgaben beruhen, d.h. auch im Falle deren Beachtung entstanden wären; in diesem Zusammenhang verbleibende Zweifel gehen zu Lasten des Werkunternehmers.*)
4.
Zur Erschütterung des Anscheinsbeweises genügen keinesfalls bloße Vermutungen des Werkunternehmers, sondern er muss im Einzelnen dartun und ggf. voll beweisen, dass die behauptete atypische Ursache ernsthaft in Betracht kommt.*)
5.
Nur wenn der Werkunternehmer ernsthaft in Betracht kommende Möglichkeiten eines atypischen Geschehensablauf substantiiert dartut und diese im Wege des sog. vereinfachten Gegenbeweises zur vollen Überzeugung des Gerichts i.S.v. § 286 ZPO beweist, obliegt dem Bauherrn bzw. Anspruchsteller sodann wieder der Vollbeweis seines Vortrags zu Ursächlichkeit bzw. Verschulden; bleibt der Werkunternehmer hinreichenden Sachvortrag zu einem atypischen Geschehensablauf bzw. den diesbezüglichen sog. vereinfachten Gegenbeweis fällig, ist der vom Bauherrn bzw. Anspruchsteller zu führende Beweis durch den (nicht erschütterten) Anscheinsbeweis geführt.*)
6.
Ebenso wie bei den Unfallverhütungsvorschriften (UVV) widersprechenden Schweißarbeiten die Behauptung des Werkunternehmers nicht ausreicht, der Brand sei möglicherweise durch ein weggeworfenes Zündholz oder eine Zigarettenkippe verursacht worden, reichen bei den anerkannten technischen Regeln widersprechenden Deckenputzarbeiten Vermutungen eines von der Werkunternehmerin eingeschalteten Privatsachverständigen nicht aus, das Herabfallen von Teilen des von ihr gefertigten Deckenputzes könne auch möglichweise auf irgendwelchen sonstigen Einflüssen beruhen, die auch ordnungsgemäß erstellten Deckenputz hätten herabfallen lassen.*)
Leitsätze:
1.
Auch nach einer Kündigung des Bauvertrags kann der Unternehmer Sicherheit nach § 648a Abs. 1 BGB verlangen.
2.
Der Unternehmer hat die ihm nach einer Kündigung zustehende Vergütung schlüssig darzulegen.
3.
Sind die tatsächlichen Voraussetzungen der Berechnung des dargelegten Vergütungsanspruchs streitig, ist dem Unternehmer für seine schlüssig dargelegte Vergütung eine Sicherheit ohne Klärung der Streitfragen zu gewähren. Anderes gilt, wenn die Klärung der Streitfragen nicht zu einer Verzögerung des Rechtsstreits führt.
Leitsätze (vereinfacht und gekürzt):
1.
Der Bieter trägt grundsätzlich das Risiko einer fehlerhaften Kalkulation seines Angebots.
2.
Den Auftraggeber trifft während des Ausschreibungsverfahrens grundsätzlich nicht die Pflicht, das Angebot des Bieters auf Kalkulationsfehler hin zu überprüfen, diesbezügliche Nachforschungen anzustellen oder eine Klärung herbeizuführen.
3.
Dies gilt jedoch dann nicht, wenn offensichtliche Anhaltspunkte, z.B. aus dem Vergleich mit anderen Angeboten, dafür bestehen, dass das Angebot des Bieters auf einem Kalkulationsirrtum beruht und das Angebot unzumutbare Folgen für den Bieter hat. In diesem Fall besteht ausnahmsweise eine Aufklärungspflicht des Auftraggebers.
4.
Wusste der Auftraggeber, dass das Angebot des Bieters auf einem Kalkulationsirrtum beruht und die Erfüllung des Vertrages für ihn unzumutbar ist, stellt die Annahme des Angebots bzw. das Bestehen auf die Vertragsdurchführung eine unzulässige Rechtsausübung dar.
Sachverhalt:
Die Beklagte hat ein Ausschreibungsverfahren für Werkleistungen durchgeführt. Hierauf wurden mehrere Angebote abgegeben. Das Angebot der Klägerin belief sich auf ca. 455.000,00 Euro. Sämtliche anderen Angebote endeten auf über 620.000,00 Euro. Obwohl das Angebot der Klägerin derart auffällig von den anderen Angeboten abwich, hat die Beklagte keine weiteren Nachforschungen angestellt bzw. eine Aufklärung veranlasst.
Auch nachdem die Klägerin ihren Irrtum bemerkte und sie die Beklage sogar ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass ihr ein Kalkulationsirrtum bzgl. der Position Asphaltbinder unterlaufen sei, hat die Beklagte hierauf nicht reagiert und der Klägerin schließlich sogar den Zuschlag für die ausgeschriebenen Leistungen erteilt.
Die Klägerin hat indes die Durchführung des Vertrages unter Hinweis auf ihren Kalkulationsirrtum sowie die Folge ernsthafter wirtschaftlicher Schwierigkeiten verweigert. Die Beklagte verlangt deshalb Schadensersatz wegen Nichterfüllung des Vertrages durch die Klägerin und rechnet hiermit gegen die Werklohnforderung der Klägerin auf.
Entscheidung:
Das Gericht entschied, dass die Beklagte rechtsmissbräuchlich handelt, wenn sie auf eine Vertragsdurchführung bestehe. Ein Schadensanspruch gegen die Klägerin wegen Nichterfüllung des Vertrages sei daher nicht durchsetzbar.
Die Beklagte habe zum maßgeblichen Zeitpunkt - der Erteilung des Zuschlages - gewusst, dass das Angebot auf einem Kalkulationsirrtum beruhe und die Vertragsdurchführung für die Klägerin unzumutbar sei.
Zwar liege das Risiko einer fehlerhaften Kalkulation grundsätzlich beim Bieter, so dass der Auftraggeber im Ausschreibungsverfahren grundsätzlich nicht dazu verpflichtet ist, sämtliche Angebote auf mögliche Kalkulationsfehler hin zu überprüfen, Ermittlungen hierüber anzustellen oder eine Aufklärung herbeizuführen. Vielmehr liege es an dem Bieter, den Auftraggeber vor Erteilung des Zuschlags von seinem Kalkulationsirrtum sowie daraus resultierender unzumutbarer wirtschaftlichen Folgen vollumfänglich und überprüfbar in Kenntnis zu setzen.
Eine Aufklärungspflicht des Auftraggebers bestehe jedoch nach den Grundsätzen von Treu und Glauben dann, wenn sich ein Kalkulationsirrtum des Bieters und dessen unzumutbare wirtschaftliche Folgen für den Bieter geradezu aufdrängen. Solch offensichtliche Anhaltspunkte könnten sich aus dem Vergleich des Angebots mit den übrigen Angeboten oder sonstiger dem Auftraggeber bekannter Umstände ergeben. Wenn hier ein einziges Angebot um rund 27% günstiger sei, dränge sich der Verdacht auf, dass dieses Angebot fehlerhaft sei.
Hier komme es darauf aber letztlich nicht einmal an, weil die Beklage von der Klägerin über den Kalkulationsirrtum sogar in Kenntnis gesetzt worden sei. Sie habe den Fehler daher ohne weiteres, allein durch einen Vergleich der konkreten Position der Angebote, nachvollziehen können.
Ferner sei hier die erforderliche Unzumutbarkeit der Leistung für die Klägerin gegeben. Eine Unzumutbarkeit sie nicht erst dann anzunehmen, wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde, sondern bereits dann, wenn die Durchführung des Vertrages zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führe. Eine Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin bzgl. einer Unzumutbarkeit sei hier nicht erforderlich gewesen, weil für die Beklagte bei einem Vergleich der Angebote offenkundig gewesen sei, dass die Durchführung des Vertrages zu erheblichen wirtschaftlichen Verlusten bei der Klägerin führt und daher für diese unzumutbar sei.
Fazit:
Diese Entscheidung bietet freilich keinen Schutz für jeden Kalkulationsirrtum des Bieters. Denn das Gericht stellt unmissverständlich klar, dass eine Anfechtung wegen eines Kalkulationsirrtums ausgeschlossen ist und dass das Risiko eines Kalkulationsirrtums grundsätzlich beim Bieter liegt. Allerdings nimmt das Gericht unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben ein Durchsetzungshindernis für den Erfüllungsanspruch des Auftraggebers für solche Fälle an, in denen sich dem Auftraggeber ein Kalkulationsirrtum des Bieter aufdrängen muss und zudem erkennbar ist, dass die Vertragsdurchführung zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten bei dem Bieter führen wird. Für beide Kriterien kann eine erhebliche Abweichung des Angebots von sämtlichen anderen Angeboten genügen.
Leitsatz:
Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn das Werk nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.